Immer wieder liest und hört man von steigender Nutzung des „umweltfreundlichen
und kostengünstigen“ Biokraftstoffs E85. Doch leider Gottes fällt einem immer
wieder auf, dass es viele Leute gibt, die sich auf Hörensagen oder die
Werbeindustrie verlassen. Wahrscheinlich werde ich mich bei einigen
Befürwortern ziemlich unbeliebt machen, möchte aber dennoch mal einen Beitrag
zu diesem Thema erstellen.
Aus technischer und fachmännischer Sicht gibt es augenscheinlich
leider nur einige wenige, die sich wirklich mit dem Thema beschäftigt haben.
Darum hier einmal eine kleine Erläuterung.
Was ist E85?
E85 ist ein nach der DIN 51625 hergestellter Kraftstoff,
bestehend aus ca 85% Agraralkohol und ca 15% Superbenzin mit einer Research
Oktanzahl von ca 102. E85 gilt als kostengünstiger Alternativkraftstoff zu Benzin,
der zum größten Teil aus biologischem Anbau hergestellt wird. Darüber hinaus
gilt E-85 als sehr umweltfreundlich, sowohl in der Herstellung als auch in der
Verbrennung.
Aber ist das wirklich so?
Ein weltwirtschaftlich als rohstoffarm geltendes Land wie
die Bundesrepublik Deutschland hat sämtlichen Studien zufolge nicht ausreichend
Ressourcen um den Biokraftstoffbedarf komplett aus eigenem Anbau zu decken.
Also was wird gemacht? Es werden Anbauflächen geschaffen, die, damit das ganze
unkomplizierter abläuft, nicht rechtlich zugeteilt sind, sondern traditionell. Zu
traditionell zugeteilten Landflächen zählen zum Beispiel große Gebiete einiger
Stämme und Völker in Indonesien. Diese Völker leben von ihren Wäldern. Sie
decken ihren Bedarf an Nahrung, bauen Unterkünfte, stellen Medizin her und
vieles mehr. Ihr Leben ist abhängig von ihren Wäldern und ihren Landgütern.
Um den Bedarf an diesem äußerst umweltfreundlichen
Kraftstoffgemisch zu decken, werden diese Wälder abgeholzt, die Bewohner dieser
Landflächen mittellos zurückgelassen, damit dort unter anderem Zuckerrüben und
Mais angebaut werden können. Es werden eine Unmenge von Maschinen eingesetzt,
die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden und der Großteil dieser Wälder
wird an Ort und Stelle verbrannt. Geringer CO²-Ausstoß?? Wohl kaum! Der
wachsende Bedarf an Biokraftstoffen führte 2007 unter anderem zur weltweiten
Nahrungsmittelpreiskrise.
Die neue EU-Reform treibt das ganze auf die Spitze. Um den
Ausbau der erneuerbaren Energien und den Bedarf an Biokraftstoffen zu decken, müssten
einer Studie zufolge bis zu 69.000 Quadratkilometer neues Ackerland
entstehen. Das entspricht einer Fläche, die mehr als doppelt so groß ist wie
Belgien. Bei einer Kultivierung in einem derartigen Ausmaß würden pro Jahr bis
zu 56 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt werden, was etwa 12-26
Millionen zusätzlichen Autos auf Europas Straßen entspricht.
Weil das Geschäft mit den Landflächen äußerst interessant
für den einen oder anderen Investor sein kann, möchten natürlich auch einige
Unternehmen etwas vom Kuchen abhaben und kaufen diese Landflächen. Ein
bekannter Name dabei ist unter anderem die Deutsche Bank. Soviel dazu...
Die nächste Frage, die sich stellt ist: Ist E85 für den
Endverbraucher wirklich kostengünstiger?
Rein vom Literpreis, verglichen mit handelsüblichem
Ottokraftstoff, ja. Selbst wenn man den Faktor Mehrbedarf aufgrund des
geringeren Heizwerts mit einbezieht, ist man mit E85, wenn auch dann nur noch
gering, kostengünstiger unterwegs. Das Ganze kann sich 2015 ändern, wenn es
andere Steuergesetze gibt, aber zur Zeit ist es noch so. Doch war das alles,
das man bei der Rechnung berücksichtigen muss? Nein!
Denn wer ordnungsgemäß mit E85 unterwegs sein will, für den
gilt eine Menge zu beachten. Wer sein Fahrzeug mit E85 betreibt und dafür zudem
vielleicht noch einige Veränderungen vorgenommen hat, verändert grundsätzlich
das Abgasverhalten seines Fahrzeugs, das in der ABE des Fahrzeugs festgelegt
ist. Hierbei geht es nicht darum, ob man es verbessert oder verschlechtert,
sondern nur darum, dass man es verändert. Somit ist die ABE des Fahrzeugs ohne
ein erneutes Abgasgutachten nicht mehr gültig. Dazu hat der TÜV Nord Hannover
im Juni 2008 ein Infoblatt herausgegeben.
Um das für die Kostenfrage festzuhalten: Ein Abgasgutachten
in mehreren Fahrzyklen liegt im vierstelligen Eurobereich.
Das war ein Teil der rechtlichen Sicht, nun zur technischen.
Wenn man sowas liest wie „mach mal dies, mal das“, „ich
schraub hier so bisschen, dann hab ich mehr Kraftstoffdruck“ usw, möchte man
als Fachmann seinen Job an den Nagel hängen. Es wird E85 getankt, festgestellt,
der Motor läuft nicht richtig und dann wird wild rumgedoktort, ohne jegliches
Fachwissen oder zumindest technisches Wissen über Ursache, Wirkung, Folgen etc.
Nun gibt es natürlich auch die Befürworter, bei denen „alles 5000000 Km ohne
Probleme lief“. Nur leider gibt es auch den Werkstattalltag und der lügt nicht.
Darum sage ich „JA, E85 KANN zu Schäden führen.“
Was sind das für Schäden?
Die oft erwähnten Korrosionsschäden sind im Werkstattalltag
nicht der häufigste Schadensfall. Da es in unserem Raum über einen gewissen
Zeitraum zu Fehlern beim Befüllen von Tankstellentanks, z.b. mit dem falschen
Gemisch (zu viel Ethanol) gekommen ist und auch bei einigen Kundenbefragungen
(gerade jüngeren) später erkenntlich wurde, dass eine ganze Zeit lang mit E85
probiert wurde, konnte man ganz gute Schlussfolgerungen ziehen. Zu den häufigen
Schadensbildern gehören unter anderem: frühzeitiger starker Verschleiß an
Pleuellagern bis hin zu gebrochenen Pleulen und frühzeitiges Aufgeben der
Zylinderkopfdichtung.
Was hat das mit E85 zu tun? Bei der Verbrennung mit E85
entsteht ein deutlich höherer Druck als bei der Verbrennung mit Superbenzin.
Jetzt mag der eine oder andere sagen „Mehr Druck = Mehr Drehmoment“.
Grundsätzlich ist das richtig, doch die Verbrennungsgeschwindigkeit von E85 ist
zu schnell um daraus einen effektiven Drehmomentnutzen zu bekommen. Es ist eher
wie ein einfacher Hammerschlag auf den Kolben, der das ganze an die Pleuel und
Lager weitergibt. Der gleiche Effekt belastet ungemein die Zylinderkopfdichtung
und führt in manchen Fällen auch zu Klingelschäden an den Zylinderwänden.
Der nächsthäufige Schaden waren dann die oft beschriebenen
Durchrostungen. Dieses war gar nicht so sehr an den Kraftstoffleitungen der
Fall, sondern eher an den Filtern und noch schlimmer an den Blechtanks,
beispielsweise beim Corsa B. E85 ist hygroskopisch, sprich es zieht Wasser aus
der Umgebungsluft und das führt unweigerlich zur Korrosion, die bei Superbenzin
erst deutlich später eintritt, denn JA, Benzin schmiert dank einiger wertvoller
Additive. Die Fahrer von Saisonfahrzeugen kennen das wahrscheinlich, wenn der
Tank vor dem Abstellen nicht komplett leergefahren und mit Super befüllt wurde.
Zum Thema Schmierung gibt es außerdem noch zu sagen, dass
das Kondensat des E85 zur Verdünnung des Motoröls führen und einige wichtige
Additive des Öls zersetzen kann. Das kann bis zum Abreißen des Schmierfilms und
dadurch erheblichen Schäden im Motor führen. Von daher ist es unbedingt zu
empfehlen (nötig), den Ölwechselintervall zu verkürzen. Gilt das als
kostengünstige Alternative? Wohl eher nicht.
Beim Thema Kraftstoffpumpen ist es bei Opel so, dass als
einziger der Omega Evo 500 eine auf Ethanolbetrieb ausgelegte Kraftstoffanlage
besitzt, da dieses Fahrzeug seinerzeit als Modell für den DTM-Omega diente und
damit experimentiert wurde.
Die letzte Frage wäre: Wirkt E85 leistungssteigernd?
Wer ohne eine Anpassung oder einen Eingriff in die Technik,
bei E85 eine „merkliche Leistungssteigerung“ feststellt, für den gelten auch
die Klang-PS bei einem offenen Sportluftfilter. Leistungsmessungen bei
Serien-Saugmotoren, NUR durch Verändern des Kraftstoffs, ergeben bei einigen
wenigen vielleicht 2-3 PS und bei einer Großzahl von Fahrern sogar einen
Leistungsverlust von bis zu 8 PS, weil eben die Anpassung fehlt. Für die
Leistungssteigerung ist dann wohl eher die Anpassung der Einspritzzeit und
Zündung verantwortlich.
Wer trotzdem sein Fahrzeug mit E85 betreiben möchte, für den
gelten einige Dinge zu beachten. Die meisten Serienfahrzeuge, vor allem ältere,
sind NICHT für den Einsatz von E85 gebaut. Bei wem es hält, der hat halt Glück.
Das bedeutet, es sind bauteilseitige Veränderungen notwendig
und angepasst wird auf einem Prüfstand, unter Berücksichtigung der Lambdawerte,
Abgastemperatur etc.. Dieses ganze Pfuschergehabe spricht doch nicht wirklich
davon, dass man weiß was man tut. Die Veränderungen sind eintragungspflichtig
und entsprechende Gutachten zu erstellen.
Fazit: Kostengünstiger?
Nein
Leistungssteigernd? Nein
Umweltfreundlicher: Nein
Moralisch und ethisch vertretbar?
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